Witten/Mülheim. Ein Stück industrieller Vergangenheit kehrt zurück auf die Ruhr: Am Mittwoch, 24. März, haben die Stadt Mülheim an der Ruhr und das Westfälische Industriemuseum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) einen Vertrag zur Rekonstruktion eines historischen Ruhrschiffs, des sogenannten Aaks, unterzeichnet. Ziel ist die Errichtung eines „Ruhrnachens“, der künftig im Freigelände des LWL-Industriemuseums Zeche Nachtigall in Witten-Bommern als zentrale Ausstellungseinheit die Geschichte des Kohlentransports auf der Ruhr erlebbar macht.
Die Umsetzung erfolgt in Kooperation mit der TERTIA-Gruppe im Rahmen einer Qualifizierungsmaßnahme für arbeitslose Jugendliche auf der Mülheimer Bootswerft Hesse. Bis August 2000 werden dort 15 Teilnehmer unter fachkundiger Anleitung den historischen Ruhraak rekonstruieren.
Die Geschichte des Aaks auf der Ruhr
Zwischen 1780 und 1870 war die Ruhr ein bedeutender Transportweg für die im Ruhrtaler Bergbau geförderte Steinkohle. Mit dem Ausbau der Eisenbahn und der Verlagerung der Verkehrsströme verlor die Schifffahrt jedoch zunehmend an Bedeutung, sodass 1890 das letzte Schiff den Oberlauf der Ruhr befuhr. Heute erinnern vor allem die zahlreichen Schleusen an die einst zentrale Rolle der Ruhr als Transportweg.
Der typische Aak, der als Vorbild für den Ruhrnachen dient, entstammt einer weit verbreiteten Bautradition entlang des Rheins, von den Niederlanden bis zum Neckar. Obwohl zahlreiche Modelle und zeitgenössische Darstellungen existieren, war bislang wenig über Konstruktion und Nutzung der Aaks auf der Ruhr bekannt. Umfangreiche Recherchen in Museen und Archiven lieferten nun neue Erkenntnisse, die in den Wiederaufbau einfließen.
Bildung, Handwerk und Geschichte vereint
Das Rekonstruktionsprojekt ist nicht nur ein Museumsprojekt, sondern zugleich Teil eines wissenschaftlichen Forschungsvorhabens des LWL-Industriemuseums zur Kohlenschiffahrt auf der Ruhr. Die spätere Aufstellung des Ruhraaks auf der Zeche Nachtigall bietet sich besonders an: Die historische Zechenanlage liegt nur wenige Schritte von der Ruhr entfernt, direkt neben den Resten der zecheneigenen Kohlenniederlage, auf der die geförderte Kohle früher zwischengelagert wurde.
Die Zeche Nachtigall, die 1832 vom Stollenbau zum Tiefbau überging, gehörte in den 1850er Jahren zu den leistungsfähigsten Zechen des Ruhrtales. 1983 übernahm der LWL die Überreste der 1892 stillgelegten Anlage und restaurierte sie für das Museum des frühindustriellen Bergbaus südlich der Ruhr.
Perspektive und Wirkung
Mit dem Bau des „Ruhrnachens“ entstehen einzigartige Lern- und Erlebnisangebote, die sowohl die Handwerkskunst des historischen Schiffbaus als auch die industrielle Vergangenheit des Ruhrgebiets vermitteln. Das Projekt verbindet praxisorientierte Qualifizierung für Jugendliche mit der Bewahrung regionaler Kulturgeschichte – ein lebendiges Beispiel dafür, wie Handwerk, Bildung und museale Forschung erfolgreich zusammengeführt werden können.

