141 Millionen Euro für Kreishaus-Sanierung. Städte fordern sofortigen Stopp!

Ennepe-Ruhr-Kreis. Alle neun Bürger­meister­innen und Bürger­meister der kreisangehörigen Städte sprechen sich in einem offenen Brief am Freitag (13.9) für ein Aufschieben des Kreistags-Beschlusses zur Sanierung des Kreishauses aus. Die Investition wird auf 141 Millionen Euro beziffert. Die Investition sollen alle neun Städte tragen, weil der Kreis keine eigenen Einnahmen hat. Ein Kreis wird über die Umlage der Städte finanziert. Die Städte sind selbst verschuldet und haben das Geld nicht. Der Brief lautet wie folgt:

„Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Damen und Herren Kreistagsmitglieder,

wir, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Ennepe-Ruhr-Kreis, fordern den Landrat und jedes Kreistagsmitglied eindringlich auf, die für die Sitzung des Kreistags am 30.09.2024

vorgesehene Beschlussfassung zur Sanierung des Kreishauses auszusetzen und diese aus den nachfolgend geschilderten Gründen mindestens für ein halbes Jahr aufzuschieben.

Die bis dahin gewonnene Zeit muss dazu genutzt werden, gemeinsam mit allen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der kreisangehörigen Städte in konkrete Gespräche einzutreten mit dem Ziel, eine von allen kreisangehörigen Städten konsensual mitgetragene Variante einer Kreishaussanierung zu erarbeiten. Diese Variante muss kostenmäßig deutlich unterhalb des Betrages der jetzt von der Kreisverwaltung favorisierten Sanierungslösung liegen und zudem auf einen so weiten Nutzungszeitraum ausgelegt sein, dass eine vollständig investive Verbuchung der dazu benötigten Haushaltsmittel möglich wird.

Ohne den Konsensgesprächen wesentlich vorgreifen zu wollen, fordern wir bereits jetzt, innerhalb der Budgetierung des Projekts jeden Kostenansatz zu vermeiden, der über die unabdingbar notwendigen Sanierungs- und Bestandssicherungsmaßnahmen hinausgeht, so politisch wünschenswert die einzelnen Ausgestaltungen der jetzt verfolgten Variante auch sein mögen.

Insbesondere muss nach Auffassung aller Unterzeichnerinnen und Unterzeichner vor einer abschließenden Entscheidung des Kreistags

  • unbedingt eine bislang fehlende Variante zur langfristigen Sicherstellung des reinen Betriebserhalts erarbeitet werden, die –   bei einem politischen Willen zur Festlegung eines auskömmlichen Nutzungszeitraums – auch ohne Probleme investiv verbucht werden könnte,
  • ein in sich schlüssiges Raumkonzept für alle Immobilien des Kreises vorliegen, das ausdrücklich die Kapazitäten des Gefahrenabwehrzentrums einbezieht,
  • überprüft werden, inwieweit die beabsichtige Desk-Sharing-Quote von 0,6 überhaupt belastbar ist und von der Personalvertretung der Kreisverwaltung mitgetragen wird,
  • der exorbitant hohe Aufwand für die Neugestaltung des Parkplatzangebotes am Kreishaus zwingend revidiert werden und
  • klar sein, welche absoluten, zusätzlichen Haushaltsbelastungen die kreisangehörigen Städte über den gesamten Abschreibungszeitraum treffen.

Sobald die oben genannten Punkte geklärt sind, wünschen wir uns eine so frühzeitige Beteiligung dass unsere Gespräche im Sinne der Kreisverwaltung, ihrer Beschäftigten und vor allem der Bürgerinnen und Bürger zu einem tragfähigen Konsens zwischen dem Kreis und seinen Städten führen.

Im Kreishaus tagt der Kreistag des Ennepe-Ruhr-Kreises. (Foto: Marek Schirmer)
Im Kreishaus tagt der Kreistag des Ennepe-Ruhr-Kreises. (Foto: Marek Schirmer)

Begründung

Die Städte im Ennepe-Ruhr-Kreis werden sich im Prognosezeitraum der nächsten fünf Jahre (mittelfristiger Finanzplanungszeitraum) in der schwersten Finanzkrise der letzten Jahrzehnte befinden. Sie müssen daher schon jetzt fortlaufende Überprüfungen und Streckungen der dringend notwendigen Investitionen in die kommunale Infrastruktur aushalten und häufig sogar schmerzhafte Verzichte auf diese Investitionen gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern vertreten.

Gleichzeitig stehen unsere Kommunen vor dem Hintergrund der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der Transformationserfordernisse unserer Gesellschaft vor massiven Herausforderungen.

Die Liste unabwendbarer städtischer Investitionen ist lang und sie betrifft –  um beispielhaft nur einige zu nennen –  die Bildungsinfrastruktur (Ganztagsausbau), die Gebäudeenergetik (Klimaschutz), die Überholung maroder Infrastruktur (Straßenunterhaltung etc.) sowie vielfach eigene städtische Gebäude, für die perspektivisch derzeit und auf lange Sicht noch überhaupt kein Sanierungsbudget abgebildet werden kann. All diese Bereiche können in unseren Städten aufgrund einer seit Jahrzehnten ausbleibenden landes- und bundespolitischen Unterstützung der Kommunen eben nicht in dem erforderlichen Maße finanziell bedient werden, wie es als Antwort auf die derzeitige Krise notwendig wäre.

In diesem Spannungsverhältnis darf sich ein Landkreis, dessen vornehme Aufgabe unter anderem der Ausgleich der Lebensverhältnisse in seinen kreisangehörigen Kommunen ist, keine Standards leisten, die alles übersteigen, was die Städte sich selbst für ihre Bürgerinnen und Bürger sowie ihre Beschäftigten zu leisten imstande sind.

Und gerade in seiner Funktion als kommunale Aufsichtsbehörde, die maßgeblich auch über die Geordnetheit der Finanzverhältnisse in den einzelnen Kommunen wacht, muss der Landkreis in punkto Sparsamkeit und Ausgabendisziplin höchste Vorbildfunktion wahren.

Dies alles lässt uns zu dem Schluss kommen, dass die Beschlussfassung über die Sanierung des Kreishauses einer dringenden Überarbeitung und konsensualen Abstimmung mit den kreisangehörigen Städten bedarf, zumal unsere Städte im Umlageverfahren zu nicht weniger als 100 % die Kosten für den bestellten Standard in einer Investitionshöhe von sage und schreibe 141 Millionen Euro zu bezahlen haben.

Wir bitten daher den Landrat und alle Mitglieder des Kreistags, in ihrer Verantwortung für das Wohl der kreisangehörigen Kommunen unserem oben formulierten Antrag zu folgen.

Mit freundlichen kommunalen Grüßen,

Unterzeichnet von allen neun Stadtoberhäuptern.