VER bleibt standhaft: Kein 371er zur Himmelohstraße

Witten. Seit Dezember 2024 setzen sich Wittener Politiker für die bessere An­bind­ung der Halte­stelle Himmel­oh­str­aße ein, die durch eine Baustelle in der Straße Bebbelsdorf von der Verbindung mit der Innenstadt abgeschnitten wurde. Trotz intensiver Diskussionen und politischer Interventionen bleibt die Ver­kehrs­ge­sell­schaft Ennepe-Ruhr (VER) je­doch bei ihrer ab­lehnen­den Hal­tung. Das be­deu­tet für die betroffenen Fahr­gäste weiter­hin deut­lich längere Fußwege zu alternativen Haltestellen.

Hoffnungen auf eine fahrgastfreundliche Lösung enttäuscht

Logo: SPD und Bündnis 90/Die Grünen
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In der Sitzung des Ausschusses für Mobilität und Verkehr am Montag (25.3.) stellten sich VER-Geschäftsführer Dipl.-Geogr. Peter Bökenkötter und Verkehrsplaner Dirk Jellinghaus den Fragen der Ratsmitglieder. Im Dezember 2024 stellten die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD einen Antrag auf Bedienung der Haltestelle Himmelohstraße durch die Linie 371. Auch die Wittener Bürger Gemeinschaft (WBG) und Stadtplaner suchten Dialog mit dem kommunalen Dienstleister in Erwartungen auf eine praktikable Lösung. Die VER verweigerte wochenlang den Dialog mit Fahrgästen und Politikern, denn eins ist klar, das Problem verschwindet von selbst – voraussichtlich am 30. April – wenn die Baustelle fertig ist.

(Grafik: Marek Schirmer)
(Grafik: Marek Schirmer)

VER verweist auf Fahrplanprobleme

Laut Jellinghaus wurden umfassende Analysen durchgeführt. Die Umleitung sei mit der Stadt Witten abgestimmt und es fehle die Fahrzeit, um die Haltestelle Himmelohstraße wieder anzufahren. Der Bus komme bereits mit Verspätung an der Haltestelle Liegnitzer Straße an. Während der Fahrplan eine sechsminütige Standzeit vorsieht, betrage diese in der Realität oft nur drei Minuten. SPD-Ratsherr Frank Kleiner hinterfragte, ob diese Verspätungen durch längere Aufenthalte an anderen Haltestellen, beispielsweise an der Universität Witten/Herdecke, entstehen. Eine konkrete Antwort erhielt er nicht.

Auch das Argument, dass die Busfahrer und -fahrerinnen an der Endstelle Stockumer Bruch Wendeschleife eine Minute für die Fundsachenüberprüfung benötigen, wurde seitens der VER vorgebracht. Würde der Bus durch die Himmelohstraße fahren, würde eine Minute fehlen. Dr. Andreas P. Redecker, Akademischer Oberrat am Geographischen Institut der Ruhr-Universität Bochum und sachkundiger Bürger der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schlägt vor, die Wendefahrt zur Wendeschleife auszulassen, denn der 371er könnte aus der Himmelohstraße direkt in die Hörder Straße abbiegen und so zwei Minuten Fahrzeit sparen. Auch darauf antworten weder Bökenkötter noch Jellinghaus eindeutig.

Trotz Schneefalls und Terminabsagte versammelten sich betroffene Fahrgäste an der Haltestelle Himmelohstraße, um ihren Unmut über die mangelnde Bedienung der Haltestelle zum Ausdruck zu bringen. (Foto: M. Schirmer)
Trotz Schneefalls und Terminabsagte versammelten sich betroffene Fahrgäste an der Haltestelle Himmelohstraße, um ihren Unmut über die mangelnde Bedienung der Haltestelle zum Ausdruck zu bringen. (Foto: M. Schirmer)

Jellinghaus gibt zu, dass der Bus auch auf der Rückfahrt in die Innenstadt zwei Minuten an der Haltestelle Liegnitzer Straße zum Ausgleich der überschüssigen Fahrzeit hält, was für ausreichend Spielraum sprechen würde und die Fahrzeiten nur anders zu verteilen wären. Genau das ist die Aufgabe von Jellinghaus, was ihn daran hindert erfahren die Ratsleute nicht.

Schreckensszenario mehr Busse in der Himmelohstraße

Während einer Informationsveranstaltung in der Himmelohstraße am 25. Februar 2009 führte die Verkehrsgesellschaft mit Probefahrten vor, dass dort ein Bus durchfahren kann, nun skizziert Jellinghaus ein Schreckensszenario für den Verkehr, wenn am Tag dort 20 zusätzliche Fahrten über einen begrenzten Zeitraum durchgeführt würden.

Am 25. Februar 2009 besuchte die mobile WAZ-Redaktion die Himmelohstraße. Die VER führte Probefahrten durch, um den Anliegern zu zeigen, dass die Befahrung mit einem Linienbus zu keinen Staus führt. (Foto: M.  Schirmer)
Am 25. Februar 2009 besuchte die mobile WAZ-Redaktion die Himmelohstraße. Die VER führte Probefahrten durch, um den Anliegern zu zeigen, dass die Befahrung mit einem Linienbus zu keinen Staus führt. (Foto: M. Schirmer)

Fahrgastzahlen und Alternativen

Die VER begründete ihre Entscheidung zudem mit der geringen Fahrgastnachfrage. Täglich gebe es an der Haltestelle Himmelohstraße nur rund 150 Ein- und Ausstiege. Die Nutzung der Linie 373 sei ausreichend, obwohl keine Angaben dazu gemacht wurden, wie viele Fahrgäste diese Alternative nutzen. Politiker befürchten, dass die Einschränkungen zu einer Abkehr der betroffenen Fahrgäste vom öffentlichen Nahverkehr führen könnte, insbesondere da in der Hauptverkehrszeit die Anzahl der Abfahrten von neun auf eine pro Stunde reduziert wurde.

Entfernung zu Ersatzhaltestellen umstritten

Besonders kontrovers diskutiert wurde die Entfernung zur nächstgelegenen Ersatzhaltestelle. Während die VER von 590 Metern sprach, ergaben unabhängige Messungen Distanzen von mindestens 800 Metern. Michael Hasenkamp (Stadtklima Witten) rätselt, ob damit vielleicht Luftlinie gemeint ist? Im Ortsteil Düren müssen die Fahrgäste zuerst zur regulären Haltestelle gelangen, um dann den Weg zur Ersatzhaltestelle anzutreten. Der Weg summiert sich schon mal auf zwei Kilometer. Kleiner verweist auf den erheblichen Höhenunterschied, was vor allem für Senioren eine Herausforderung darstellt. Von der Mühlenstraße bis zur Ersatzhaltestelle „Helfkamp“ beträgt der Unterschied 40 Höhenmeter.

Während der Rosenmontagumzüge in Stockum wurde die Buslinie 371 in beiden Fahrtrichtungen über die Himmelohstraße umgeleitet. (Foto: Marek Schirmer)
Während der Rosenmontagumzüge in Stockum wurde die Buslinie 371 in beiden Fahrtrichtungen über die Himmelohstraße umgeleitet. (Foto: Marek Schirmer)

Umsteigeprobleme und fehlende Anschlusssicherung

Die VER verweist darauf, dass Fahrgäste in die Linie 373 umsteigen können und hält die Umstiegzeiten für verträglich. Bei 73 Prozent der Fahrten würde der Umstieg gut funktionieren, referiert Jellinghaus. Allerdings gibt es erhebliche Zweifel an der Praxistauglichkeit dieser Lösung. Laut VER könnten die Wartezeiten zwischen drei und 25 Minuten betragen. Tatsächlich kommt es auch zu längeren Wartezeiten, wer um 9:41 Uhr mit dem 371er aus der Innenstadt an der Gerdesstraße ankommt, muss 85 Minuten auf den Anschlussbus warten. Grund dafür ist eine Bedienpause von 90 Minuten auf der Linie 373. In der Hauptverkehrszeit gibt es für 75 Prozent der Fahrten aus der Innenstadt keine passende Anschlussverbindung von maximal 15 Minuten, die der Nahverkehrsplan vorschreibt.

Lange Wartezeiten an der Liegnitzer Straße

Die Zwangspausen der Busse an der Liegnitzer Straße wurden ebenfalls kritisiert. Obwohl die VER von einer gemessen Standzeit von durchschnittlich 2,39 Minuten spricht, sind es laut Fahrplan genau sechs Minuten. Auch in der Gegenrichtung wartet der 371er ebendort zwei Minuten ab, referiert Jellinghaus. Doch während an der Endstelle laut Jellinghaus eine Minute für die Fundsachensuche fehlt, kommt der Bus nur sechs Haltestellen weiter schon wieder zu früh an, weil die Umleitungsstrecke kürzer ist. Die Argumentation der VER zur fehlenden Fahrzeit für die Bedienung der Haltestelle Himmelohstraße stellen Politiker infrage.

Längere Pause als Fahrzeit

Generell erschließt sich den Beobachtern nicht, warum überhaupt eine Standzeit von 6 Minuten mitten auf der Strecke eingerichtet wurden, wenn der Bus nur noch 5 Minuten bis zu seiner Endstellen „Stockumer Bruch Wendeschleife“ zu fahren hat. Dafür müssten an nur drei regulären Haltestellen die Fahrpläne geändert werden.

Vorschlag der stockum.de Redaktion. (Grafik: Marek Schirmer)
Vorschlag der stockum.de Redaktion. (Grafik: Marek Schirmer)

Fehlende Anschlusssicherung

Kleiner setzt sich für Senioren aus seinem Wahlbezirk ein, die auf den Bus angewiesen sind. Seine Argumente finden bei der VER kein Gehör. Er kritisiert die fehlende Anschlusssicherung zwischen den Linien 373 und 371. Ohne ein entsprechendes Kommunikationssystem verpassen Fahrgäste häufig ihren Anschluss am Stockumer Bruch und müssen bis zu 30 Minuten warten – ein Risiko, das viele meiden.

Konkrete Fragen – ausweichende Antworten

Redecker fragt erneut nach den fehlenden Fahrzeiten, doch Jellinghaus bleibt unkonkret. Seine präsentierten Zahlen erfassen nicht alle Haltestellen, wodurch die Fahrzeit nicht nachvollziehbar ist. Tatsächlich zeigen Fahrplanauswertungen, dass im Umlauf keine Minute fehlt. Zudem gestand Jellinghaus zuvor ein, dass der Bus auf der Rückfahrt an der Liegnitzer Straße zwei Minuten Pause einlegt. „Man kann nicht alle glücklich machen, Mehrheit der Bedürfnisse wird erfüllt,“ sagt Bökenkötter.

Keine Frage nach Glück

Die Verkehrsgesellschaft Ennepe Ruhr besitzt eine Konzession für die Linie 371. Das Personenbeförderungsgesetzt auferlegt dem kreiseigenen Verkehrsunternehmen eine Betriebspflicht für alle Bestandteile der Konzession, also alle Haltestellen die bedienbar sind.  Die Fahrten werden von der Stadt Witten nach Wagenkilometern bezahlt und auch wenn alle bemüht sind zu sagen, dass es nicht darum geht Fahrleistungen einzusparen, werden diese täglich durch kürzeren Linienweg eingespart.

Die Bushaltestelle Himmelohstraße trägt Trauer. Mit einer schwarzen Folie wurde das Haltestellenschild zugedeckt. Jährlich seit dem Jahr 2022 verweigert die VER die Bedienung dieser Haltestelle an 121 bis 234 Tagen. (Foto: M. Schirmer)
Die Bushaltestelle Himmelohstraße trägt Trauer. Mit einer schwarzen Folie wurde das Haltestellenschild zugedeckt. Jährlich seit dem Jahr 2022 verweigert die VER die Bedienung dieser Haltestelle an 121 bis 234 Tagen. (Foto: M. Schirmer)

Politische Forderungen und Zukunftsperspektiven

Ratsherr Michael Hasenkamp (Stadtklima Witten) brachte eine Fusion der VER mit der Bogestra ins Gespräch. Diese könnte zu einem kundenfreundlicheren Nahverkehr führen, insbesondere da Bogestra flexibler auf Probleme reagiert. Die Bogestra-Umleitung in der Straße Sonnenschein wurde innerhalb einer Woche auf Wunsch der Fahrgäste geändert. VER-Geschäftsführer Bökenkötter lehnte eine Fusion mit dem Hinweis ab, dass die Städte Bochum und Gelsenkirchen diese nicht wünschten.

Wiederanbindung der Haltestelle Himmelohstraße

Die einzige positive Nachricht für die Fahrgäste: Laut Stadtbaurat Stefan Rommelfanger soll die Baustelle planmäßig zum 30. April 2025 beendet werden.