EN-Kreis. Die anstehende Fortschreibung des Nahverkehrsplans im Ennepe-Ruhr-Kreis wird weitreichende Auswirkungen auf die Fahrgäste haben. Die geplanten Änderungen betreffen sowohl die Taktung der Busse als auch die Qualität der Haltestellen und die Erreichbarkeit insbesondere in Randzeiten. Doch anstatt das Angebot flächendeckend auszubauen, drohen Einschränkungen: weniger reguläre Busverbindungen, verstärkter Einsatz von Bedarfsverkehren und ungelöste Anschlussprobleme im Nachtverkehr. Hinzu kommen Defizite bei der Barrierefreiheit und der Fahrgastinformation. Die Frage ist: Wird der neue Nahverkehrsplan den Bedürfnissen der Fahrgäste gerecht oder verschlechtert sich die Situation für viele Nutzer weiter?
Zukunft des Nahverkehrs: Pläne und Zeitrahmen
Nach der politischen Entscheidung zur Fortschreibung des Nahverkehrsplans im September 2024 startete ein intensiver Planungsprozess. In drei Workshops zwischen Dezember 2024 und Februar 2025 wurden unter fachlicher Begleitung eines Planungsbüros Leitlinien erarbeitet. Diese sollen noch vor der Sommerpause ausgeschrieben werden, sodass die Fortschreibung des Plans mit Hilfe eines externen Gutachters zeitnah beginnen kann. Die politischen Entscheidungsträger haben also ein straffes Programm vor sich – mit weitreichenden Konsequenzen für die Fahrgäste im Ennepe-Ruhr-Kreis.
Barrierefreiheit bleibt Stiefkind der Planung
Ein großes Problem: Die Barrierefreiheit bleibt in der Verantwortung diverser Aufgabenträger. Haltestellen an Bundes-, Landes-, Kreis- und Stadtstraßen fallen in unterschiedliche Zuständigkeiten, was den flächendeckenden Ausbau massiv erschwert. Menschen mit Mobilitätseinschränkungen werden also weiterhin vor unüberwindbare Herausforderungen gestellt. Im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) wurde bereits 2013 das Ziel festgeschrieben, dass „bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen“ sei. Viel Haltestellen sind im Ennepe-Ruhr-Kreis nicht barrierefrei ausgebaut und die Aushangfahrpläne der Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr weisen im Vergleich zur Verkehrsunternehmen in den Nachbarstädten eine viel kleinere Schrift auf, was das Lesen von durch seheingeschränkte Menschen erschwert.

Bedarfsverkehr statt Regelfahrplan: Droht eine Ausdünnung des Angebots?
Ein besonders umstrittenes Thema ist die geplante Ausweitung des bedarfsorientierten Verkehrs. Statt regulärer Busverbindungen sollen Fahrten verstärkt nur noch auf Bestellung stattfinden. Was auf den ersten Blick nach einer effizienten Nutzung von Ressourcen klingt, bedeutet für viele Fahrgäste: weniger Verbindungen, schlechtere Erreichbarkeit und zunehmende Unsicherheit in der Planung. Gerade für ältere Menschen oder Berufspendler können diese Angebotskürzungen gravierende Auswirkungen haben.
Im Bereich Gedern und Hohenstein wurde der reguläre Linienverkehr durch ein Anrufsammeltaxi ersetzt, das AST wurde 2022 eingestellt. Im Bereich Bommerholz wurde im Dezember 2019 in der Schwachverkehrszeit die Bedienung ohne einen Ersatz eingestellt.

Freizeit- und Nachtverkehr: Anschlussprobleme ungelöst
Die Optimierung des Freizeit- und Nachtverkehrs steht ebenfalls auf der Agenda. Die Nachtexpresslinien haben einen schlechten Anschluss an die S-Bahn und den Regionalverkehr, was zu langen Wartezeiten führt. Die mangelnde Anschlussqualität wird seit Jahren nicht verbessert. Ohne klare Lösungen bleibt es fraglich, ob der neue Nahverkehrsplan hier echte Verbesserungen bringt. In den Nachbarstädten wird der Umstieg zwischen den Nachtbussen durch nahezu gleichzeitige Ankunft und Abfahrt an einer zentralen Haltestelle erleichtert, in Bochum ist es der Busbahnhof am Hautbahnhof und in Dortmund die Reinoldikirche Mitten in der Stadt. In Witten fehlt diese Umstiegsmöglichkeit.

Ausstattungsstandards: Kleine Schriften, fehlende Echtzeitinformationen
Ein weiteres Defizit betrifft die Haltestelleninfrastruktur. Fahrplanaushänge der Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr sind vielerorts nur schwer lesbar, da die Schriftgröße zu klein ist. Hinzu kommt, dass dynamische Fahrgastinformationen (DFI) nicht flächendeckend verfügbar sind, insbesondere an wichtigen Points of Interest. Das Ziel sollte sein wenigstens eine zentrale Haltestelle mit einer dynamische Fahrgastinformationen pro Stadtteil. Die Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr informierte nicht ihre Fahrgäste über die Einstellung ihres Fahrbetriebs am 9. Januar 2025, die Fahrgäste warteten vergebens auf Busse. Die Abfahrtszeiten wurden auf DFIs angezeigt, die Busse fuhren nicht. Eine grundlegende Modernisierung der Fahrgastinformation bleibt der ÖPNV unattraktiv.

Qualitätsmanagement ohne Datenzugang?
Schließlich steht auch die Etablierung eines umfassenden Qualitätsmanagements auf der Agenda. Doch hier gibt es ein massives Problem: Die Kreisverwaltung als Aufgabenträger erfasst keine Mobilitätsdaten und kann Beschwerden über zurückliegenden Ausfälle der Fahrten aller beauftragen Verkehrsunternehmer nicht selbst überprüfen. Fahrten werden durch den Ennepe-Ruhr-Kreis bezahlt, egal ob diese erbracht wurden oder nicht. Ohne transparente Datenlage bleibt ein effizientes Monitoring und eine zielgerichtete Verbesserung des Nahverkehrs reine Theorie. Das Personenbeförderungsgesetz verpflichtet die Verkehrsunternehmen zur Übermittlung der Verkehrsdaten (z.B. Pünktlichkeit) alle ihrer Busse und Bahnen, damit diese auf DFIs und in Apps auf Smartphones angezeigt werden können. Bei Stichproben entdecken wir immer wieder Fahrten ohne Datenübermittlung. Ob die Fahrten stattfinden oder ausfallen kann der Ennepe-Ruhr-Kreis als Aufgabenträger nicht nachvollziehen.
Fazit: Viel Planung, wenig Fortschritt für die Fahrgäste
Der Ennepe-Ruhr-Kreis plant ambitioniert, doch entscheidende Probleme bleiben ungelöst. Die Fahrgäste müssen sich auf künftige Einschränkungen einstellen: weniger feste Busverbindungen, weiterhin mangelhafte Barrierefreiheit und anhaltende Defizite bei Nachtverkehr und Fahrgastinformation. Bleibt abzuwarten, ob die Politik noch nachsteuert.Veranstaltungsorte
Der Ausschuss für Kreisentwicklung, Wirtschaft, Verkehr, Demografie und digitale Infrastruktur beschäftigt sich mit den Leitlinien des Nahverkehrsplans während seiner Sitzung am Mittwoch, 05. März 2025, ab 17:00 Uhr.