Witten-Stockum. Regelmäßig besucht Hedwig Knorn mit ihren 103 Jahren die ökumenische Seniorenbegegnung und die AWO-Handarbeitsgruppe in Stockum. Doch heute standen bei ihr die Türen breit offen, den zum 103. Geburtstag kamen Freuende, Nachbarn, der 2. Bürgermeister Hans – Ulrich Kieselbach, sowie Pfarrer Holger Papies.
Seit Ihre Geburt im Jahr 1911 lebt „Uroma Hetti“ in Stockum. Zuerst an der Ecke Himmelohstraße/Hörder Straße, dann tiefer im Stockumer Bruch. Heute wohnt sie im Mehrgenerationenhaus im Weizenkamp mit ihrem Sohn Reinhold, der Schwiegertochter Christa und der Urenkelin Jacqueline.
„Der Kaiser ist ein lieber Mann, er wohnet in Berlin und wär das nicht so weit von hier, so ging ich heut noch hin“, musste Knorn in der Harkortschule singen. Damals stand noch die Kaisereiche an der Stockumer Straße, erinnert sie sich. 12 Klassen hatte die Schule damals, von 8 bis 13 Uhr gab es Unterricht.
Mit 14 Jahren hat sie die Volksschule beendet und musste als Hauswirtschafterin bei wohlhabenden Leuten arbeiten. Zuerst kam sie bei dem Annener Glasfabrikanten Utermann in Stellung. Ausgehen dürfet sie nicht, um 22 Uhr musste sie Zuhause sein.
1935 hat sie Heinrich geheiratet. Ihr 10 Jahre älterer Ehemann kam aus Niederschlesien nach Stockum, um auf dem Pütt zu arbeiten. Er war zu alt für den Wehrdienst und wurde nicht eingezogen. In die SA musste er trotzdem eintreten, sonst hätte er keine Arbeit bekommen, erzählt die rüstig Rentnerin. Das war aber nicht seine Gesinnung und so trat er schnell wieder aus. 1945 hatten die Stockumer alle Bäume an der Hörder Straße abgesägt, damit die Panzer nicht durchkommen, berichtet Sie vom Kriegsende.
Einen Sohn hat Sie geboren. Als Reinhold auf die Welt kam, sagte ihr Vater „Kanonenfutter ist geboren“. Kanonier war ihr Vater im 1. Weltkrieg und starb sehr schnell an Krebs.
Für Frauen war der Weg vorgegeben, Hausfrau konnte Sie werden, nichts anderes. Das Geld für höhere Bildung fehlte. Doch gelangweilt hat sie sich nie. Ihr Tag war ausreichend erfüllt. Zu kaufen gab es gar nichts, alles wurde aus dem Garten geholt und gekocht. Das war viel Arbeit.
„Heute gibt es keine Liebe unter den Menschen“, sagt die 103-Jährige. Alle gleichaltrigen Freunde und Bekannten sind tot. Früher haben die Menschen vor dem Haus gesessen, Mandoline gespielt und gesungen. Heute verstecken sich alle Zuhause.