Witten-Stockum. Mitte Juni haben die Stockumerin Tina Gambalat und ihre Mitstreiter angefangen Unterschriften gegen die Umwandlung einer landwirtschaftlich genutzten Fläche im Vöckenberg in ein Gewerbegebiet zu sammeln. Am Dienstag (24.7.) hat die Initiative ihren ersten öffentlichen Stammtisch einberufen und alle Stockumer eingeladen. Bei heißen sommerlichen 35 °C im Schatten kamen 80 Menschen in den Räumen des BSV Stockum-Düren zusammen. Alle Stockumer Organisationen konnten sich vorgestellt, die gegen das Gewerbegebiet sind.
Der Weg bis ein neues Gewerbegebiet im Vöckenberg entsteht ist noch lang. Bis zu fünf Jahre könnten vergehen, bis das Vorhaben die Regionalverbandsversammlung Ruhr in Essen und den Rat der Stadt Witten passiert. Die Stockumer sollten jedoch ab Mitte August an dem Beteiligungsverfahren des Regionalverbands Ruhr (RVR) teilnehmen, erklärte Dirk Pullem, Mitglied der Piratenfraktion in der Regionalverbandsversammlung. Der Regionalverband Ruhr startet nach den Sommerferien eine Bürgerbeteiligung zum neuen Regionalplan Ruhr. Jeder Bürger kann im Rahmen der Bürgerbeteiligung seine Stellungnahmen schriftlich bei RVR in Essen einreichen. Es ist wichtig, dass die Stellungnahmen individuell verfasst sind, betont Pullem. Würde die Initiative vorgefertigte Stellungnahmen verteilen und die Stockumer diese einreichen, würden diese als eine Stellungnahme gewertet werden, warnt Pullem.
Ein Bürger fragte Tina Gambalat, wie viele Unterschriften sie bereits gesammelt hat. Sie nannte erstmals eine Zahl: „800 Unterschriften sind bereits in Stockumer Läden und bei Stadtfesten zusammengekommen“. Gambalat zeigte sich beeindruck, dass so viele Stockumer der Einladung folgten:
„Ich war regelrecht gerührt, dass – trotz der argen Hitze – so viele interessierte Bürger teilgenommen und sich auch persönlich eingebracht haben, sodass ein reger und konstruktiver Austausch stattfinden konnte“,
Die Initiative präsentierte zuerst Karten, um zu zeigen welches Gebiet betroffen ist. Nach der Vorstellung der engagierten Initiativen kamen die Stockumer selbst zu Wort. Seit Wochen wird ihnen vorgeworfen, sie hätten nur ihren Stadtteil im Sinn, die Stadtplaner und Kreispolitiker benutzen gerne den Begriff „Nimby“ also „Not In My Back Yard“ (Nicht in meinem Hinterhof). Dem Argument die Stockumer hätten nur ihre Interessen im Blick widerspricht der Vorsitzender der Heimatfreunde Stockum – Düren Wolfgang Lippert:
„Uns Stockumern reicht die frische Luft aus, von den SMOG-Lagen sind Annen und die Stadtmitte betroffen. Wir kämpfen auch für die Menschen in den anderen Stadtteilen.“
Das betroffene Feld gehört zum Grünzug „Dortmund – Castrop-Rauxel – Witten“, drei Frischluftschneisen treffen dort zusammen, die die Innenstädte von Dortmund und Witten mit der frischeren Luft versorgen. Der Entwurf des neue Regionalplans Ruhr bescheinigt dem Ackerland hohe Bodenfruchtbarkeit und Klimarelevanz, dort kühlt sich die Luft stärker ab, als über anderen Ackerflächen. Einerseits setzt sich die Stadt Witten für ein angenehmeres Stadtklima durch Begrünung von Flachdächern ein, anderseits sollen 18-20 Hektar eines hochwertigen Bodens versiegelt werden, die Stockumer sehen darin einen Widerspruch.
Bei der Entstehung des Regionalplans wurden die Interessen der Stadtverwaltung höher gewertet, als der Nutzen des Feldes für das Stadtklima und die Umwelt. Die Fläche wurden im Regionalplan Ruhr ausgeklammert. Einen „Alibigrünzug“ nennen die Stockumer die wenigen Meter des Grünzugs, der über den Stockumer Sportplätzen erhalten bleiben soll.
Auch das Argument „im Vöckenberg würden 664 neue Arbeitsplätze entstehen“, zweifeln die Stockumer an. Die Stadt Witten verweist jedoch auf 1200 Arbeitsplätze im benachbarten Gewerbegebiet „Wullener Feld“. Wie viele Arbeitsplätze dort tatsächlich neu sind und wie viele vorher an einer anderen Stelle im Stadtgebiet existierten, lässt sich nur schwer erfassen. Die Anzahl der Arbeitsplätze ist stets schwanken, eine Firma entlässt ihre Mitarbeiter, eine andere stellt parallel neue Arbeitskräfte ein. Die Stockumer glauben eher, die Firmen würden beim Umzug ihre Produktion modernisieren und deshalb die Arbeitsplätze beim Umzug weiter abbauen.
Joachim Ochs, Kreistagsmitglied der CDU und selbst Stockumer betonte die Wichtigkeit der Gewerbesteuereinnahmen für den Haushalt der Stadt. Ziehen die Wittener Firmen einmal in die Nachbarstadt, kommen sie nicht wieder zurück. Die versammelten Stockumer glauben das würde eher an dem hohen Gewerbe- und Grundstücksteuer-Hebesatz in Witten liegen und nicht an den fehlenden Flächen für neue Gewerbeansiedlungen. Der Gewerbesteuer-Hebesatz ist in Witten mit 520 Punkten höher als in Bochum (495) und Dortmund (485) und doppelt so hoch wie in der Stadt Monheim (260) im Kreis Mettmann. Die niedrigsten Hebesätze im Ennepe-Ruhr-Kreis haben die Städte Breckerfeld und Ennepetal (beide 460).
Wird der fruchtbarer Boden im Vöckenberg einmal abgetragen, ist dieser für die Landwirtschaft und das Stadtklima ein für alle Mal verloren. Auch eine aufwendige Aufarbeitung einer Industriebrache, wie in Heven auf der Fläche „Drei Könige“ durchgeführt wurde, macht die Fläche zwar wieder für die Industrie nutzbar, die hohe Boden- und Klimaqualität lässt sich durch Aufarbeitung nicht wiederherstellen.
In einem Monat wollen sich die Stockumer erneut treffen, den genauen Termin werden sie noch bekanntgeben. Tina Gambalat freut sich auch zwischendurch auf neue Mitstreiter, die sie bei ihrer Aktion tatkräftig unterstützen wollen.