Westfalen. Kaum ein Fest ist mit so vielen Bräuchen, Mythen und Missverständnissen behaftet wie Ostern. Während heute der Osterhase als unverzichtbarer Bote bunter Eier gilt, waren es früher ganz andere Tiere, die diese Aufgabe übernahmen. Und auch die häufig wiederholte Behauptung, Ostern habe seinen Ursprung in einem germanischen Frühlingsfest, hält einer historischen Überprüfung nicht stand.
Kein heidnisches Frühlingsfest: Der wahre Ursprung des Osterfestes
„Noch heute wird manchmal behauptet, dass der Ursprung des Osterfestes ein altgermanisches Frühlingsfest ist. Diese Behauptung ist falsch – es hat nie einen germanischen Vorläufer des Osterfestes gegeben“, stellt Christiane Cantauw, Volkskundlerin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), klar.
Die oft zitierte germanische Göttin Ostara oder Ostera sei keine historische Figur, sondern eine Erfindung des angelsächsischen Gelehrten Beda Venerabilis im 8. Jahrhundert. Er versuchte damit, die ihm unklare Herkunft des Wortes „Ostern“ zu erklären. Auch der mittelalterliche Franziskaner Bertholt von Regensburg griff diese Idee auf und brachte sie mit der biblischen Göttin Astaroth in Verbindung – ein Beispiel dafür, wie Mythen durch Predigt und Erzählung weitergetragen wurden.
Im 19. Jahrhundert griff Jakob Grimm in seiner berühmten Deutschen Mythologie den Mythos erneut auf und machte ihn populär. Bald entstanden auch erste Darstellungen der vermeintlichen Göttin – etwa eine Illustration aus dem Jahr 1982, die „Ostara“ mit einem Storch und einem Hasen zeigt.
Die sprachliche Herkunft ist jedoch klar: Das Wort „Ostern“ leitet sich vom althochdeutschen „ostarun“ ab – der Bezeichnung für die Auferstehungsliturgie am Ostermorgen. Ostern bedeutet demnach nichts anderes als „Gottesdienst zur Auferstehung Jesu am Morgen“.
Fuchs und Kranich statt Hase: Alte Eierboten auf dem Land
Der heute allgegenwärtige Osterhase ist keineswegs eine jahrhundertealte Figur. Er tauchte erst im 17. und 18. Jahrhundert auf – und auch das zunächst nur in städtischen Regionen.
„In Westfalen machten ursprünglich der Fuchs oder der Kranich die Menschen für die bunt gefärbten Eier verantwortlich“, erklärt Cantauw. Auf dem Land war es lange Zeit üblich, anderen Tieren die Rolle des Eierbringers zuzuschreiben. Erst mit der Verbreitung des evangelischen Bürgertums und dessen städtischer Bräuche fand der Hase den Weg aufs Land.
Bilder in Kinderbüchern, Zeitungen und Postkarten trugen entscheidend dazu bei, dass sich der Osterhase im 19. Jahrhundert auch in ländlichen Regionen durchsetzte – und schließlich zu dem Symbol wurde, das wir heute kennen.
Warum wir zu Ostern Eier verschenken
Auch der Brauch des Ostereierschenkens hat einen historischen Hintergrund, der weit zurückreicht. Schon im 9. Jahrhundert sind sogenannte „Zinseier“ belegt – Naturalabgaben in Form von Eiern, die Bauern an Grundherren oder Klöster entrichteten.
Im Laufe der Zeit wandelten sich diese Pflichtgaben zu Geschenkeiern, die Liebende austauschten oder die Paten ihren Patenkindern überreichten. Ein weiterer Grund für die Bedeutung der Eier zu Ostern: Während der Fastenzeit war ihr Verzehr verboten. Mit dem Ende des Fastens wurden Eier daher zu einer besonderen Delikatesse.
„In Westfalen war es im 19. Jahrhundert und darüber hinaus üblich, dass jeder zu Ostern so viele Eier essen durfte, wie er wollte“, berichtet Cantauw. „Das führte bei kräftigen Knechten und Bauernsöhnen nicht selten zu regelrechten Eieress-Orgien.“
Fazit: Osterbräuche sind jünger – und vielfältiger – als gedacht
Ostern ist kein Relikt heidnischer Rituale, sondern ein tief christlich geprägtes Fest mit reicher Brauchgeschichte. Der Osterhase, der heute fest zum Frühling dazugehört, ist eine relativ junge Erfindung – und in Westfalen waren es einst Fuchs und Kranich, die den Menschen die farbenfrohen Eier brachten.
Was geblieben ist, ist die symbolische Bedeutung des Eis: als Zeichen des Lebens, der Hoffnung und der Auferstehung, die im Zentrum des Osterfestes steht.
Quelle: LWL