Westfalen. Heiligabend ist heute für viele Familien der Höhepunkt der Weihnachtszeit: festliches Essen, strahlende Lichter und das Auspacken von Geschenken. Doch der 24. Dezember hatte in Westfalen noch vor einem Jahrhundert eine ganz andere Bedeutung.
Heiligabend als Fastentag
Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der sogenannte „Wiehnachts-owend“, „Christowend“ oder „Chrisdagsobend“ vor allem für die katholische Bevölkerung in ländlichen Gebieten Westfalens ein Fastentag. „Der 24. Dezember wurde als ein Fastentag vor einem hohen Feiertag angesehen. Die Menschen arbeiteten bis abends, erst danach konnten sie letzte Vorbereitungen und Besorgungen für das Weihnachtsfest erledigen. Und dann ging man zeitig zu Bett, schließlich begann die Christmette am 1. Weihnachtstag bereits zwischen 3 und 5 Uhr“, erklärt Christine Gottschalk, Volkskundlerin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).
Kinderfreuden früher und heute
Traditionell stellten die Kinder am Abend des 24. Dezembers einen Teller vor die Tür. Am Weihnachtsmorgen war dieser dann gefüllt – mit Süßigkeiten, Obst, Backwaren, aber auch warmer Winterkleidung oder Schulsachen. Vor 1900 war die Bescherung deutlich bescheidener oder fand gar nicht am Heiligen Abend statt. Bis ins 19. Jahrhundert war für westfälische Kinder vor allem der Nikolaustag der wichtigste Geschenktermin.
Wandel des Weihnachtsfestes in Westfalen
Aus den evangelischen Gebieten Westfalens entwickelte sich im Laufe der Zeit der heutige Weihnachtsablauf. Seit den 1930er Jahren feiern die Familien in der gesamten Region das Weihnachtsfest bereits am Heiligen Abend: mit festlichem Essen, Bescherung und Christmette. Festlich gekleidet beginnen die Feierlichkeiten nun früher – eine deutliche Abkehr von der Tradition des Fastentags.
Kuriose Bräuche: Geschenke für Verkehrspolizisten
In den 1950er Jahren gab es in Münster einen besonderen Brauch: Verkehrspolizisten wurden beschenkt. Mit dem zunehmenden Autoverkehr überreichten Autofahrer und Insassen den Beamten kleine Präsente wie Wein, Bier, Zigaretten oder Pralinen – oft an bestimmte Polizisten, denen sie regelmäßig begegneten. Christine Gottschalk erläutert: „Die Beamten durften die Geschenke nicht behalten, sondern gaben sie an Altersheime oder andere soziale Einrichtungen weiter.“ Dieser Brauch war auch in anderen Teilen Westfalens, etwa in Hagen, bis in die Mitte der 1960er Jahre bekannt.
Der LWL als Bewahrer westfälischer Traditionen
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) ist als Kommunalverband für rund 8,5 Millionen Menschen in der Region aktiv. Mit seinen 40 Schulen, 17 Krankenhäusern, 17 Museen und als einer der größten Sozialhilfezahler Deutschlands erfüllt der LWL Aufgaben in den Bereichen soziale Dienste, Behinderten- und Jugendhilfe, Psychiatrie und Kultur. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise Westfalens sind Mitglieder des LWL und tragen zur Finanzierung und Kontrolle des Verbandes bei.
Fazit: Vom Fastentag zum Festtag – der Heilige Abend in Westfalen hat sich in den letzten hundert Jahren grundlegend gewandelt. Heute steht er für festliche Zusammenkünfte, Geschenke und kulinarische Höhepunkte, während traditionelle Bräuche wie frühes Aufstehen zur Christmette oder Geschenke für Nikolaus zunehmend in den Hintergrund treten.