Nach einem spannenden Wahlkampf und einem klaren Sieg mit rund zwei Dritteln der Stimmen steht Dirk Leistner als neuer Bürgermeister von Witten fest. Der erfahrene Verwaltungsfachmann, der zuvor viele Jahre für die Stadt Bochum tätig war, spricht im Interview über seine Emotionen nach der Wahl, die Herausforderungen des Amtsantritts und seine Vision für die Zukunft der Ruhrstadt. Im Mittelpunkt seiner Pläne stehen dabei vor allem mehr Miteinander, Respekt und der direkte Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern.
Antenne Witten:
Dirk Leistner, Sie haben mit einer Zweidrittelmehrheit – ungefähr – die Wahl in Witten gewonnen. Wie fühlt man sich damit?
Dirk Leistner:
Überwältigt. Also, das Gefühl, so viel Vertrauen zu bekommen, Witten bewegen zu dürfen – das bewegt mich gerade sehr emotional, und ich freue mich riesig, dass ich so viel Zuspruch bekommen habe. Aber – das muss man fairerweise immer dazu sagen – dieses Ergebnis ist nicht das Ergebnis einer einzelnen Person, sondern das verdanke ich meiner Familie, meiner Frau, meinen Kindern und vor allen Dingen dem Team, das mich hierhin gebracht hat.
Antenne Witten:
Ihr Team stand gerade hier draußen – wir stehen hier im Haus Witten – und Ihr Team hat Ihnen gratuliert. Was haben Sie denen gerade gesagt?
Dirk Leistner:
Dass ich stolz bin auf das, was wir gemeinsam erreicht haben. Aber gleichzeitig – damit auch verbunden – haben wir es geschafft, die Menschen wieder zu erreichen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, ihnen zuzuhören und sie für die politischen Themen, für die wir uns hier gemeinsam auf den Weg machen wollen, zu begeistern und von ihnen ihre Stimme zu bekommen. Und damit verbunden auch gleichzeitig der Appell: Wir müssen genauso weitermachen, wie wir es vor der Wahl getan haben. Denn das ist etwas, was mir sehr, sehr wichtig ist – nämlich ein Angebot immer wieder zu machen und nicht nach der Wahl damit aufzuhören.
Antenne Witten:
Aber hatten Sie nicht auch das Glück, dass in Witten gerade die Stimmung auf Umschwung war? Also, mir wurde auch sehr häufig von Bürgern gesagt, dass sie sich vielleicht wieder einen Wechsel wünschen.
Dirk Leistner:
Also, mir wurde sehr häufig deutlich gemacht, dass wir hier in Witten eine andere Stimmung haben. Der bin ich als Person – oder habe ich versucht – zu begegnen. Aber inhaltlich glaube ich, dass wir die richtigen Themen aufgerufen haben. Und, wie gesagt, wir waren nah bei den Menschen, haben ihnen zugehört – und das soll auch weiterhin so bleiben. Das ist auch meine Aufgabe, nicht nur als Bürgermeister, sondern auch innerhalb meiner Partei oder der Fraktionen, mit denen wir uns gemeinsam auf den Weg machen: immer wieder ein Ohr dafür zu haben, wo die Menschen stehen, für die wir Politik machen.
Antenne Witten:
Was sagen Sie Ihrem Wettbewerber nach fünf Jahren? Würden Sie ihm Dank aussprechen für das, was in Witten geleistet wurde?
Dirk Leistner:
Ich erkenne das, was er für die Stadt geleistet hat, an, danke ihm natürlich dafür und wünsche ihm für seine Zukunft alles Gute.
Antenne Witten:
Jetzt ändert sich alles in Ihrem Leben. Sie haben für die Stadt Bochum gearbeitet, und ab dem 3. oder 4. November sind Sie dann tatsächlich Bürgermeister im Amt. Was geht in einem vor, wenn man weiß, es gibt so einen großen Umbruch im Leben?
Dirk Leistner:
Ich glaube, das kann man schwer in Worte fassen.
Antenne Witten:
Versuchen Sie es noch einmal.
Dirk Leistner:
Ich bin wirklich sehr emotional an dieser Stelle.
Antenne Witten:
Ich merke, es geht ein Wunsch in Erfüllung, den Sie hatten.
Dirk Leistner:
Ich habe das vorhin gesagt: Es ist das i-Tüpfelchen in meiner beruflichen Karriere. Eine solche Chance, die man selbst vielleicht nicht für sich gesehen hat, die andere in einem gesehen haben und die man im Leben bekommt – der begegne ich mit riesigem Respekt. Ich sage mal: Ich durfte in Bochum sehr viele Dinge lernen. Ich habe sehr viele Menschen um mich herum gehabt, mit denen ich mich fast 30 Jahre lang gemeinsam auf den Weg machen konnte, und dafür bin ich wirklich sehr, sehr dankbar. Ja, ich gehe mit einem weinenden, aber viel mehr mit einem lachenden Auge.
Antenne Witten:
Sie haben Ihrer Familie gedankt, Sie haben Ihrer Frau gedankt, weil sie diese harte Zeit mit Ihnen ausgehalten hat. Aber es wird nicht einfacher. Das heißt, es gibt nicht nur den ganz normalen Acht-Stunden-Tag, sondern viele Abend- und Wochenendtermine, die Sie wahrnehmen müssen. Haben Sie Ihre Familie darauf eingestimmt?
Dirk Leistner:
Also, wir haben fast ein Dreivierteljahr miteinander diskutiert, gesprochen und sind gemeinsam zu der Entscheidung gekommen, dass ich mich auf den Weg machen darf. Die dreieinhalb Monate, die ich jetzt auch im Wahlkampf zu Hause war, weil ich von meinem Arbeitgeber beurlaubt worden bin, haben mir gezeigt, dass das auf jeden Fall machbar ist. Wenn wir an der einen oder anderen Stellschraube noch ein bisschen drehen, dann werden wir das auch als Familie sehr gut in den nächsten fünf Jahren hinbekommen.
Antenne Witten:
Jetzt kommen wir aber zu Ihrem Amt. Sie werden Bürgermeister und fangen im November an. Was wird Ihre erste Amtshandlung sein, oder was möchten Sie sofort unbedingt in Witten ändern – etwas, das auch sofort änderbar ist?
Dirk Leistner:
Also, die Innenstadt müssen wir auf jeden Fall in Bewegung bringen: Gespräche mit der Standortgemeinschaft suchen, mit den Gebäudeinhabern der Galleria Kaufhof unmittelbar in Kontakt treten. Aber viel wichtiger ist es auch, erst einmal anzukommen und zu sehen, wo wir gerade stehen, und sich ein Bild darüber zu machen, welche Themen ich jetzt direkt angehen kann und welche ich mir vielleicht erst einmal in Ruhe ansehen muss – damit wir uns nicht verzetteln und, ich sage mal, im Schweinsgalopp irgendwo landen, wo wir eigentlich gar nicht hinwollen.
Antenne Witten:
Klaus Lohmann war gerade hier, der alte Bürgermeister, der sehr lange die Geschicke von Witten gesteuert hat. Werden Sie bei ihm vielleicht auch noch einmal zum Kaffee eingeladen und lassen sich Tipps geben, wie man so ein großes Amt und ein so großes Rathaus leitet?
Dirk Leistner:
Also, man ist immer gut beraten, wenn man sich Unterstützung von Menschen mit Erfahrung zuteilwerden lässt. Denn die Dinge, die mir jetzt bevorstehen, brauchen Besonnenheit, sie brauchen Geduld und vor allen Dingen ein gutes Geschick – das man dadurch bekommt, indem man sich mit vielen Leuten berät, abstimmt und vor allem auch gemeinsam auf den Weg macht.
Antenne Witten:
Wenn wir uns in fünf Jahren vielleicht hier oder an einer anderen Stelle wiedersehen: Wofür möchten Sie in die Geschichte von Witten eingehen? Was soll nach fünf Jahren Amtszeit von Dirk Leistner erhalten bleiben? Vielleicht auch nach zehn Jahren, wenn Sie wiedergewählt werden. Was wäre so eine Sache, bei der Sie sagen würden: Dafür möchte ich in Erinnerung bleiben? Schwere Frage, ich weiß.
Dirk Leistner:
Es gibt eine Sache, die mir wirklich sehr am Herzen liegt, und das merke ich immer wieder auch in den Gesprächen mit den Menschen in unserer Stadt: Die Menschen wünschen sich mehr Miteinander, Ehrlichkeit, Fairness und vor allen Dingen Respekt. Genau dafür werde ich mit gutem Beispiel vorangehen und versuchen, hier die Menschen wieder zusammenzubringen, die bisher vielleicht noch nicht zueinander gefunden haben. Und wenn uns das am Ende meiner Amtszeit gelungen ist – dass wir ein liebenswertes, lebenswertes und respektvolles Miteinander hier in Witten haben und in Bewegung gekommen sind –, dann bin ich sehr dankbar für die Zeit, in der ich hier Bürgermeister sein durfte.
Antenne Witten:
Aber bedarf es dafür nicht auch Räume? Also, wenn Sie das jetzt ansprechen: Bedarf es nicht auch Räume für Begegnung, wo unterschiedliche Meinungen aufeinandertreffen? Ich vermisse zum Beispiel Stadtteilwerkstätten, die es früher gab, aber auch andere Formate, die die Stadt Witten angeboten hat, um ins Gespräch zu kommen. Bei so einem Format haben wir uns das erste Mal kennengelernt. Ich fand, es gab sehr wenig davon in Witten in den letzten fünf Jahren – das mag auch an Corona gelegen haben.
Dirk Leistner:
Also, ich schaue positiv in die Zukunft. Genau diese Themen haben wir auch in unserem Wahlprogramm und werden versuchen, sie mit allen demokratischen Parteien für unsere Stadt umzusetzen.
Antenne Witten:
Und wir lassen Sie jetzt den Abend ausklingen?
Dirk Leistner:
Ich lasse das einfach mal auf mich zukommen und sage vielen herzlichen Dank für Ihr Interesse.
Antenne Witten: Ich danke auch noch.
Das Interview führte Marek Schirmer.