175 Jahre Westfalenparlament und 100 Jahre Landeshaus Westfalen-Lippe

Münster. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) feiert ein doppeltes Jubiläum: Vor 175 Jahren trat erstmals ein westfälisches Parlament zusammen – und seit 100 Jahren ist das Landeshaus in Münster das politische Zentrum der regionalen Selbstverwaltung. Die Feierlichkeiten am 14. November würdigen zwei Institutionen, die wie kaum etwas anderes für die demokratische Entwicklung und regionale Identität Westfalens stehen.

Ein Parlament für Westfalen: Von den Anfängen 1826 bis heute

Am 29. Oktober 1826 wurde im Schloss zu Münster der 1. Westfälische Provinziallandtag eröffnet. Der preußische Oberpräsident Freiherr von Vincke leitete die Versammlung, die erstmals eine gemeinsame politische Vertretung für die Provinz Westfalen schuf. Eng mit diesem Prozess verknüpft ist der Name Freiherr vom Stein, Vordenker der preußischen Reformen, der als Landtagsmarschall den Vorsitz führte.

Die neue Institution war zunächst ein beratendes Gremium ohne eigene Gesetzgebungskompetenz. Dennoch wurden hier wichtige Impulse gesetzt: So beantragte der Abgeordnete Friedrich Harkort bereits 1831 den Bau einer Eisenbahnlinie zwischen Lippe und Weser. Andere Initiativen, etwa zur Straßeninfrastruktur oder zur Viehseuchenbekämpfung, wurden später umgesetzt.

Nicht alle waren von der Arbeit des Provinziallandtags überzeugt. Schriftstellerin Annette von Droste-Hülshoff kritisierte 1844 die Selbstbezogenheit vieler Abgeordneter: „Jeder stimmt für sein Interesse, so machen sie sich einander kaputt.“ Trotz solcher Einwände entwickelte sich der Provinziallandtag weiter und erhielt mit der Provinzialordnung von 1886 schließlich ein echtes Selbstverwaltungsrecht. Damit wurde der Grundstein für den heutigen Landschaftsverband gelegt.

Wachsende Aufgaben – wachsender Platzbedarf

Mit den neuen Aufgaben stieg auch der Verwaltungsaufwand. Nachdem der erste Sitz, das „Ständehaus“ am Domplatz (1862), bald zu klein geworden war, beschloss der Provinziallandtag 1896 den Neubau eines modernen Parlamentsgebäudes. Der Wettbewerb entschied das Architektenteam Klingenberg und Weber für sich, und am 12. Oktober 1901 wurde das neue Landeshaus feierlich eingeweiht.

Der repräsentative Bau an der Warendorfer Straße wurde bald als „Rathaus von Westfalen“ bekannt. Er überzeugte nicht nur durch seine neorenaissancehafte Fassade mit Türmen und Wappen, sondern auch durch technische Innovationen wie Zentralheizung, elektrisches Licht und einen lichtdurchfluteten Sitzungssaal.

Demokratie, Diktatur und Neubeginn

Die Weimarer Republik brachte ab 1919 eine demokratische Öffnung: Erstmals zogen Sozialdemokraten und Frauen in den Provinziallandtag ein. Doch mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde die regionale Selbstverwaltung 1933 abgeschafft. Das Landeshaus erlitt im Zweiten Weltkrieg schwere Schäden, insbesondere durch Bombenangriffe 1943.

Nach Kriegsende setzten sich Politiker, Verwaltungsbeamte und Kommunalvertreter für die Wiederbelebung der landschaftlichen Selbstverwaltung ein. Der entscheidende Schritt gelang 1953 mit der Landschaftsverbandsordnung, die den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) schuf. Am 4. November 1953 trat die neu gegründete Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe erstmals zusammen – wieder im Landeshaus.

Das neue Landeshaus: Schlichtheit statt Pomp

Beim Wiederaufbau nach dem Krieg verzichtete man bewusst auf repräsentativen Prunk. Der Architekt Werner March, bekannt für das Berliner Olympiastadion, entwarf ein Gebäude, das Funktionalität und Schlichtheit betonte. Mit rotbraunem Ziegel und Sandsteinelementen erinnert es zugleich an den westfälischen Barockbaumeister Conrad Schlaun.

Heute ist das Landeshaus nicht nur Sitz der Landschaftsversammlung, sondern auch ein Symbol für demokratische Kontinuität und regionale Identität. Mit rund 6.500 Quadratmetern Nutzfläche bietet es Platz für Verwaltung, politische Arbeit und gesellschaftlichen Dialog.

Bedeutung für Westfalen und darüber hinaus

Der LWL, Träger zahlreicher kultureller, sozialer und gesundheitlicher Aufgaben, ist ein zentraler Akteur der kommunalen Selbstverwaltung in Nordrhein-Westfalen. Von der Denkmalpflege über Psychiatrie und Förderschulen bis zur Kulturförderung reicht sein Spektrum. Die Landschaftsversammlung als „Westfalenparlament“ ist dabei das demokratische Herzstück.

„Die Geschichte des Westfalenparlaments zeigt, wie stark die regionale Selbstverwaltung zur politischen Kultur unseres Landes beigetragen hat“, betont LWL-Direktorin [Name, ggf. aktuell ergänzen]. „175 Jahre parlamentarische Arbeit und 100 Jahre Landeshaus sind nicht nur historische Daten – sie stehen für gelebte Demokratie, regionale Verantwortung und ein starkes Westfalen.“

Fazit: Mit dem Doppeljubiläum von „175 Jahre Westfalenparlament“ und „100 Jahre Landeshaus“ blickt der LWL auf eine wechselvolle Geschichte zurück – geprägt von Reformen, Rückschlägen und Neuanfängen. Was 1826 als beratendes Gremium begann, ist heute ein modernes Parlament mit breitem Gestaltungsspielraum. Das Landeshaus selbst bleibt dabei mehr als nur ein Gebäude: Es ist ein Symbol für die politische Selbstbestimmung einer ganzen Region – und ein Stück lebendige Demokratiegeschichte mitten in Münster.

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