Umweltausschuss für und Wirtschaftsausschuss gegen ein Gewerbegebiet im Vöckenberg

Witten. Kurioser könnte die Situation nicht sein, zwei Ausschüsse hatten am Donnerstag (24.1.) im Wittener Rathaus darüber zu entscheiden, ob sich die Stadt Witten gegen die Umwidmung der landwirtschaftlichen Fläche im Vöckenberg in ein Gewerbe- und Industriegebiet aussprechen soll. Der Ausschuss für Arbeit, Wirtschaft, Standortmarketing und Feuerschutz stimmte gegen das Gewerbegebiet, der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz stimmte für das Gewerbegebiet. Die Besucher und Politiker waren darüber mehr als erstaunt.

Seit Monaten bereitet die Verwaltung der Stadt Witten ihre Stellungnahme zum Entwurf des Regionalplans Ruhr vor. Bereits im Dezember beschäftigten sich die Ausschüsse mit der Entwurfsfassung der Stellungnahme. Anfang Januar wurde die Entwurfsfassung im Johanniszentrum den Bürgern vorgestellt. Die Mehrheit der dort versammelten Bürger wollte mit der Bürgermeisterin Sonja Leidemann über Vöckenberg diskutieren.

Am Donnerstag stellte der Planungsamtsleiter Dipl. Ing. Sebastian Paulsberg die Stellungnahme der Stadt Witten zum Regionalplan Ruhr in den beiden Ausschüssen vor. Die Stadt Witten wird in ihrer Stellungnahme die geplanten Gewerbe- und Industriefläche im Vöckenberg nicht ablehnen, sondern den RVR auffordern ein weiteres Gewerbe- und Industriegebiet in den Regionalplan einzuzeichnen. Das Gewerbe- und Industriegebiet „Wullener Feld“, soll nach Wünschen der Stadt, um die grüne Hanglage zur Dortmunder Straße erweitert werden.

Paulsberg hob die Vorteile der Ausweisung eines Gewerbe- und Industriegebietes im Vöckenberg hervor u.a. die schnelle Verfügbarkeit, denn die Fläche gehört zum größten Teil der Stadt Witten und könnte von der Stadt Witten selbst entwickelt werden. Andere Flächen gehören Privatpersonen, die trotz Ausweisung durch die Stadt Witten nur zu sehr hohen Preisen den Boden verkaufen wollen. Die Flächen stehen für Gewerbe- und Industriegebiete zur Verfügung, werden dafür jedoch nicht genutzt. Die Stadt Witten weist immer mehr Flächen für Wohnbebauung und Gewerbe- und Industriegebiete aus, diese werden nicht entwickelt und verbleiben Brach- oder landwirtschaftlich genutzte Flächen.

Der Planungsamtsleiter verheimlichte aber auch nicht die hohe Bodenfruchtbarkeit im Vöckenberg, die für die Landwirtschaft von großer Bedeutung ist. Wie groß das Gewerbe- und Industriegebiet werden soll, könnte man heute noch nicht sagen, denn es sind Schutzabstände zu existierender Bebauung zu beachten und das Gewerbe- und Industriegebiet soll nicht mit Stockum zusammenwachsen. Auch wenn die Fläche im Vöckenberg komplett in Gewerbe- und Industriegebiet umgewandelt würde, würden weiterhin in Witten Gewerbeflächen fehlen, hob Paulsberg hervor.

Zum Regionalplan wurden drei Anträge der Fraktionen eingereicht. Ursula Weiß für die Fraktion „Die Linke“ stellte als erste ihren Antrag vor, in dem sie den Begriff „Smart City“ in die Diskussion nicht zum ersten Mal einbrachte. Es ist ein Sammelbegriff für gesamtheitliche Entwicklungskonzepte Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver zu gestalten. Die These die Städte müssen immer mehr Flächen verbrauchen, stellte Weiß in Frage, vielmehr sollten Flächenreserven intelligenter genutzt werden. In Witten würden sich die Politiker keine Gedanken machen, wie man Flächennutzung sparen könnte, bemängelte die Politikerin der Linken. Sie griff auch das Beispiel, im Vöckenberg könnte eine Schreinerei entstehen, auf. Warum die Schreinerei auf frischen Ackerboden entstehen sollte, erschloss sich nicht nur der Politikerin nicht, sondern auch den 60 Bürgern, die auf den Publikumsplätzen den Ausführungen nicht nur folgten, sondern diese auch beklatschten oder mit Buhhh-Rufen unterbrachen.

Nach dem geltenden Gesetz muss für jede versiegelte Fläche ein Ausgleich im gleichen Umfang geschaffen werden. Weiß forderte die Verwaltung auf eine Ausgleichfläche von 18 Hektar zu benennen, denn bis jetzt schweigt sich die Stadtverwaltung darüber aus wo diese Fläche sein könnte.

Den Antrag der SPD Stockum stellte Ratsherr Walter Sander vor. Er forderte die Stadtverwaltung auf, die Fläche als nichtgeeignet anzusehen. Er erinnerte an ein Klimagutachten der Stadt Witten aus dem Jahr 2007, wo die Bedeutung Vöckenbergs für das Klima in Stockum und der Innenstadt hervorgehoben wurde.

„Seit 30 Jahren wird die gleiche Diskussion in Witten geführt.
Die Fläche soll herausgenommen werden und als Grünzug erhalten bleiben“,

forderte der SPD-Ratsherr. Er bezog sich in seinem Antrag auf die Ziele, die sich der RVR selbst gesteckt hat. Mit der Ausweisung dieser Fläche würde der RVR seinen eigenen Zielen nicht gerecht werden, sagte Sander.

Den dritten Antrag der Fraktionen Bürgerforum, Piraten und WBG stellte Roland Löpke, Fraktionsvorsitzender der Piraten vor. Seine Vorredner erwähnten bereits viele Umweltaspekte, er konzentrierte sich argumentativ auf dem Ruhrgebiet als eine Einheit. Löpke forderte das Konkurrenzdenken zwischen den Ruhrgebietsstädten solle aufhören. Witten ist zu klein, um mit Bochum und Dortmund zu konkurrieren. Witten könnte an Attraktivität als Wohnstadt verlieren.

Der Stockumer Vorsitzender der Heimatfreunde Wolfgang Lippert meldete sich zu Wort als sachkundiger Bürger. Er erinnerte an die sogenannte SIEMENS-Erweiterungsfläche in Witten-Rüdinghausen, die seit 15 Jahren ungenutzt brach liegt. Wolfgang Lippert:

„Wer mit einem Zeppelin über dem Ruhrgebiet geflogen ist, wird viele Industrieflächen entdecken, die aufgegeben worden sind.“

Die Ratsfrau Sonja Teupen (Bündnis 90 Grüne) erklärte, dass auch ihre Fraktion gegen ein Gewerbegebiet im Vöckenberg ist. Der Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit, Wirtschaft, Standortmarketing und Feuerschutz Jan Richter verwies auf Dienstleistungen als Motor für die Wirtschaft und schlug vor Digitalquertiere weiter zu entwickeln.

„Auch mit Vöckenberg werden wir die Unternehmen in Witten nicht halten können“,

meinte Richter. Die Grünen sehen keine Notwendigkeit die Fläche in den Plan zu nehmen.

Der Idee eines Politikers, die Entscheidung dem nächsten Rat zu überlassen, wiedersprechen viele Ratsleute. Roland Löpke fordert die versammelten auf

„sich nicht aus der Verantwortung zu stehlen“,

auch Ursula Weiß meldete sich zu Wort:

„Wir haben heute die Verantwortung dafür, ob im Vöckenberg potentiell etwas passiert. Wir geben keine Verantwortung an den RVR ab, wir geben eine Stellungnahme ab.“

Im Ausschuss für Arbeit, Wirtschaft, Standortmarketing und Feuerschutz wurde der Antrag der Fraktion „Die Linke“ und der Antrag der Fraktionen Bürgerforum, Piraten und WBG für eine Ergänzung der Stellungnahme der Stadt Witten an den RVR zum Vöckenberg mit

6 Stimmen befürwortet, mit
7 Stimmen abgelehnt, bei
2 Enthaltungen.

Der Antrag der SPD-Ratsleute aus Stockum Walter Sander und Dr. Birte Güting wurde mit

8 Stimmen angenommen, bei
7 Ablehnungen und
keiner Enthaltung.

Im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz wurden alle Anträge abgelehnt.